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Nitrofen- eine Belastung für Bio-Betriebe!

Aktuelle Meldungen zu Nitrofen finden Sie hier......

Vor etwa 18 Monaten führte das Wort “BSE” zu überzogenen Reaktionen in der deutschen Verbraucherschaft. Die Folgen spürten besonders die konventionellen Landwirte, obwohl auch Bio-Betriebe nicht vor BSE sicher waren. Ein besonderer Fehler im Vorfeld war seinerzeit die Behauptung, dass BSE in deutschen Landen nicht auftreten würde.

Die Reaktionen überschlugen sich, Minister mußten gehen, neue Gesichter bestiegen das Podest. Eine wahrer Feldzug auf höchster Ebene begann gegen die konventionelle Landwirtschaft- gegen Massentierhaltung und Agrarfabriken, obwohl die letzteren Begriffe bis heute nicht klar definiert sind.
Der große Umschwung folgte: bis zu 20% Biobetriebe sollen bis 2010 staatlich verordnet werden, denn nur diese liefern nach Aussagen der Verantwortlichen gesundheitlich einwandfreie Nahrungsmittel, natürlich erzeugt und frei von chemischen Rückständen. Diese These galt bis Ende Mai 2002, dann sorgte ein Wort dafür, dass tausende Bio-Bauern über Nacht unverschuldet in Verruf gerieten wie ihre konventionellen Kollegen vor 18 Monaten. Dieses Wort, das die “heile Welt” der Öko-Produkte wie eine Seifenblase platzen ließ, lautet:

Nitrofen!

Der Wirkstoff Nitrofen

ist in einigen Unkrautbekämpfungsmitteln der 60iger und 70igerJahre, speziell für den Getreideanbau, zu finden. 1980 wurde die abgelaufene Zulassung dieser Chemikalie nicht wieder vom Hersteller beantragt. Seit dieser Zeit  darf dieser Wirkstoff nicht mehr in (West) Deutschland eingesetzt werden. In der EU ist Nirofen als Unkrautbekämpungsmittel seit 1988 verboten. Mit der Wiedervereinigung gilt Gleiches auch für (Ost) Deutschland.

Nach Ansicht eines Lebensmittelchemikers ist Nitrofen besonders für Ungeborene gefährlich. Bei Versuchstieren können bereits Konzentrationen von 0,3 Milligramm je kg Körpergewicht zu Mißbildungen führen. Für Erwachsene sind Nitrofen-Rückstände in der Nahrung vergleichsweise harmlos, auch dann, wenn die zulässigen 0,01 mg/kg leicht überschritten werden. Nitrofen steht im Verdacht, krebserregend zu sein.

Der chronologische Ablauf

beginnt offiziell mit der am 2. Mai erfolgten Selbstanzeige eines im Ammerland ansässigen Herstellers von Putenfleischerzeugnissen, in denen Nitrofen nachgewiesen wurde. Bei den folgenden Ermittlungen ergeben sich weitere Verdachtsmomente und führen am 24. Mai zur Sicherstellung von 230 to. für den Export (wahrscheinlich nach Rußland) bestimmtes Putenfleisch. Die Puten erhielten offenbar mit dem verabreichten Futter nitrofenbelasteten Ökoweizen, der in der niedersächsischen Futtermittelfirma GS agri zu Öko-Mischfutter verarbeitet wurde. Der dort eingemischte Weizen stammt aus Brandenburg.

Folgender Ablauf scheint wahrscheinlich:

  • erste Hinweise auf Nitrofen findet der Babynahrungshersteller “Hipp” bei einer Analyse des unter dem Ökosiegel “Naturland” angelieferten Bio-Putenfleisches schon im Dezember 2001. Hipp sendet die Ware zurück und informiert Naturland, und der wiederum die ihm angeschlossenen Putenmäster.
  • die Bundesanstalt für Fleischforschung (BAFF) weiß im Januar 2002 von Nitrofen Rückständen im Bio-Putenfleisch. Die BAFF untersucht Proben im privaten Auftrag für einen angeblichen Versicherungsfall. Die Analysen ergeben das zehnfache des zulässigen Grenzwertes bei Nitrofen.
  • Ende März/ Anfang April liegen die Untersuchungsergebnisse eines Privatlabors in Hannover vor. Hier werden 15,9 Milligramm Nitrofen/ kg Weizen in einer Probe gefunden, die die Versicherung der GS agri eingereicht hat.

Anscheinend hat niemand aufgrund der positiven Nitrofen Analysen die zuständigen Behörden informiert, weder die BAFF noch Naturland..

Die Folgen des Nitrofen Skandals

betreffen fast nur Bio-Betriebe mit Geflügelhaltung, die Öko-Futter von der GS agri bezogen haben. Im Futter werden Werte bis zum 250-fachen des zulässigen Höchstmenge gefunden.

Aufgrund des Futterbezuges von GS agri werden Ende Mai gesperrt

  • in Niedersachsen 59 Ökobetriebe mit 357.683 Tieren (überwiegend Geflügel)
  • in Mecklenburg-Vorpommern 5 geflügelhaltende Betriebe mit 229.000 Tieren
  • in Nordrhein-Westfalen 7 Höfe mit 150.000 Stück Geflügel und 220 Mastschweinen

Da es sich bei Nitrofen um keine Seuche handelt, und somit kein Anspruch auf staatliche Entschädigung besteht, dürften die Leidtragenden der behördlichen Maßnahmen ausschließlich die Bio-Bauern sein. Sie sind nicht die Täter, sondern die Opfer des Skandals.

Die Verantwortlichen.

Seit den ersten Junitagen ist bekannt, dass die Nitrofen Verunreinigung im Ökoweizen in einer Lagerhalle in Malchim bei Neubrandenburg entstanden ist. Die Norddeutsche Saat- und Pflanzgut AG Neubrandenburg (NSP) hat die Halle im Oktober 2001 zur Lagerung von Bio Getreide angemietet. Zu DDR-Zeiten diente diese Halle als “Lagerstätte der Staatsreserve für Pflanzenschutzmittel”.

Es gibt in diesem Skandal viele Schuldzuweisungen. Frau Künast macht jetzt den genossenschaftlichen Raiffeisenverbund für die Misere verantwortlich;  doch nach der Wiedervereinigung wurde das Lager 1990 durch die Treuhand privatisiert und ohne Auflagen weiterverkauft. Wußte die NSP vom “Vorleben” der angemieteten Halle”???

Viele Stellen, die frühzeitig von der Nitrofen Belastung des Futters wußten, haben geschwiegen. Das ist ein schwerwiegender Fehler, wie sich gezeigt hat. Besonders von Naturland und BAFF wäre eine sofortige Meldung zu erwarten gewesen.

Bedenken und Gedanken. (sei mir gestattet)

Der Staubgehalt einer Fegeprobe in der verdächtigen Halle betrug laut Agrarminister Till Backhaus 2000 mg Nitrofen je kg Staub. Kaum ein Unternehmen dürfte Getreide auf einen verdreckten Fußboden lagern, so dass ich davon ausgehe, dass die Halle besenrein beschickt wurde. Vor der Anmietung durch NSP im Oktober 2001 diente die Halle zur Warenlagerung.

Meine Bedenken zur offiziellen “Auflösung” des Nitrofenproblems:

  • Bei dieser extrem hohen Nitrofenbelastung müßten doch die Menschen, die in all den Jahren in dieser Halle tätig waren, starke Gesundheitsschädigungen aufweisen; denn mit dem Staub sind sie allemal in Berührung gekommen. Die lange Zwischenzeit von über 10 Jahren seit der Lagerung der Gifte gibt mir zu denken!!
  • Sollte der Fußboden aus der Zeit der DDR Lager-Bestände verseucht sein, so wären die Menschen, die hier gearbeitet haben, weniger gefährdet; doch bei jedem Eigentumswechsel, muß der Vorbesitzer solche Altlasten melden. Ist das hier geschehen?
  • Sollte das eingelagerte Bio-Getreide bereits vor Oktober 2001 nitrofenbehaftet sein, so könnte in der Fegeprobe doch auch die Belastung vorhanden sein, oder?

Ich möchte den zuletzt aufgeführten Punkt weiterdenken, dafür gibt es zwei Möglichkeiten:

  1. der Bioweizen wurde -falsch deklariert- aus Ländern importiert, in denen der Einsatz des Wirkstoffes Nitrofen noch statthaft ist.
  2. das Biogetreide wurde verbotenerweise mit Nitrofen behandelt. Nitrofenhaltige Unkrautbekämpfungsmittel eignen sich auch gut zur Ernteerleichterung bei starkem Durchwuchs. Der Sommer 2001 war sehr regnerisch, und auf den Getreideflächen, die im Vorfeld schon mit Unkraut zu kämpfen hatten, zeigte sich oft extremer Durchwuchs besonders im Lagergetreide. Bei einer angenommenen Behandlung zu diesem Zeitpunkt besteht kaum eine Abbaumöglichkeit des Giftes, da der Zeitraum bis zur Ernte zu gering ist.

Wie schon erwähnt, es sind meine Gedanken, die abwegig erscheinen, aber nicht unmöglich sind; denn vereinzelte “schwarze Schafe” gibt es überall- nicht nur in der Landwirtschaft.

Fazit. (nochmals meine Gedanken)

Vermutlich werden weitere Verordnungen für verschiedene landwirtschaftliche Einrichtungen folgen. Ich denke hier an besondere Meldepflichten.
Frau Künast wird versuchen, ihr geliebtes Kind “Bio” von allen Sünden reinzuwaschen.
Die Leidtragenden des Skandals sind die Bio-Landwirte, die neben dem finanziellen Schaden  das Vertrauen ihrer Kunden wiedergewinnen müssen.
Aber auch die konventionellen Bauern bleiben nicht ganz ungeschoren; denn jeder Lebensmittelskandal führt bei der empfindlichen deutschen Verbraucherschaft zu Kaufenthaltungen.

Fest steht, dass vor 15 Monaten der vorherige Landwirtschaftsminister für weniger Mitschuld an der damaligen BSE Krise seinen Stuhl räumen mußte. Der heutigen Ministerin wird dieser Schritt wohl erspart bleiben, zumindest bis zur Wahl am 22. September.

Lesen Sie zu “Bio” bitte auch diesen Artikel in “Die Zeit”.

    

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